Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung


04.12.2020

Was ist eine Verweisung?

Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit oder Unfall voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Dies genügt allerdings nur, wenn in dem Versicherungsvertrag keine Verweisung vereinbart wurde.

Ist eine Verweisung vereinbart worden, kann die BU-Versicherung den Versicherungsnehmer auf eine andere Tätigkeit verweisen, wenn der Versicherungsnehmer seinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann. BU-Rente, also Leistung aus dem Versicherungsvertrag, erhält der Versicherungsnehmer erst dann, wenn er auch diesen Vergleichsberuf nicht ausüben kann.

Eine Verweisung gilt dann als vereinbart, wenn in den Versicherungsbedingungen ausgeführt wird, dass der Versicherte auch voraussichtlich dauernd außerstande sein muss, eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die seiner Lebensstellung entspricht. Unterschieden wird zwischen der abstrakten und konkreten Verweisung.


Abstrakte Verweisung

Bei der abstrakten Verweisung kann die Berufsunfähigkeitsversicherung die versicherte Person auf eine Tätigkeit verweisen, die noch nicht ausgeübt wird. Existiert also ein Beruf, die der Versicherte theoretisch aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann, und entspricht diese Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung, kann der Versicherte auf diese Tätigkeit verwiesen werden.

Da der Versicherte über solch eine Tätigkeit keine detaillierten Kenntnisse hat, muss die muss die Berufsunfähigkeitsversicherung den Verweisberuf aufzeigen (Aufzeigeobliegenheit). Hierfür ist eine detaillierte Darstellung des Verdienstes, der vorausgesetzten Ausbildung, der Arbeitsbedingungen etc. erforderlich. Die versicherte Person hat dann zu beweisen, dass der Verweisberuf nicht existiert oder nicht der bisherigen Lebensstellung entspricht.

Häufig wird auf eine abstrakte Verweisung verzichtet, aber eine konkrete Verweisung vereinbart.


Konkrete Verweisung

Bei einer konkreten Verweisung kann die BU-Versicherung die versicherte Person auf einen Beruf verweisen, auf den der Versicherte übergewechselt ist. Diese Tätigkeit wird von der versicherten Person also bereits ausgeübt. Hier muss der Versicherte dann darlegen und beweisen, dass er aus gesundheitlichen Gründen auch diese Tätigkeit nicht ausüben kann oder der Verweisberuf nicht der bisherigen Lebensstellung entspricht.

Es muss also immer ein Verweisberuf vorliegen. Bei der abstrakten Verweisung reicht es aus, wenn der Versicherte diese Beruf theoretisch ausüben könnte, bei der konkreten Verweisung muss der Versicherte den Verweisberuf bereits ausüben.


Was ist ein Verweisberuf?

Ein Verweisberuf liegt dann vor, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in der sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs sinkt, vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2017, Az.: IV ZR 11/16.

Es ist also der Verweisberuf mit der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu vergleichen. Die versicherte Person muss also über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die die Tätigkeit verlang. Zudem muss der Verweisberuf der bisherigen Lebensstellung entsprechen.


Wann verfüge ich über die notwenigen Kenntnisse und Fähigkeiten?

Unter Kenntnissen und Fähigkeiten versteht man alle körperlichen und geistigen Eigenschaften, egal wie diese erworben wurden. Unerheblich ist, ob die versicherte Person alle dieser Kenntnisse und Fähigkeiten auch in dem zuletzt ausgeübten Beruf eingesetzt hat.

Die versicherte Person muss aber über die Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich noch verfügen. Wenn der Versicherte besondere Kenntnisse, die er einmal erworben hat, in der Vergangenheit wieder mangels Übung etc. verloren hat, werden diese nicht berücksichtigt.

Kurz: Der Verweisberuf muss der Ausbildung und Erfahrung der versicherten Person entsprechen. Der Versicherte darf weder unter- noch überfordert sein.


Wann entspricht der Verweisberuf der bisherigen Lebensstellung?

Wenn die versicherte Person über die Kenntnisse und Fähigkeiten im Verweisberuf verfügt, muss der Verweisberuf zusätzlich der bisherigen Lebensstellung entsprechen. Die bisherige Lebensstellung wird maßgeblich von der bisherigen Tätigkeit geprägt. Die bisherige Lebensstellung bemisst sich anhand unterschiedlicher Faktoren. So sind etwa die Einkommensverhältnisse, das Ansehen des Berufes sowie die Aufstiegschancen zu berücksichtigen.


Einkommensverhältnisse

Der Verweisberuf muss der versicherten Person eine vergleichbare Vergütung ermöglichen.

Kurz: Die versicherte Person muss also das gleiche verdienen.

Ob eine Reduzierung des Einkommens zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei einem geringen Einkommen kann eine Verringerung um 10 % bereits unzumutbar sein. Demgegenüber kann bei einem hohen Einkommen eine Reduzierung um 15 % noch hinzunehmen sein. Grundsätzlich kann aber eine Reduzierung des Einkommens um 20 % als maximaler Wert angesehen werden.

Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, ob die versicherte Person seinen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist oder das Einkommen für sich allein verwenden kann. Dagegen können geringere Arbeitszeiten und mehr Freizeit ausgleichend berücksichtigt werden. Insgesamt ist also der Einzelfall entscheidend.


Ansehen

Auch das Ansehen des Berufstandes in der Gesellschaft spielt eine Rolle.

Kurz: Der Verweisberuf muss das gleiche Ansehen genießen.

So hat beispielsweise das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 25.06.1992, Az.: 7 O 478/91 entschieden, dass eine Stewardess auf den Beruf der Reisebegleiterin verwiesen werden kann. Demgegenüber soll eine Verweisung von einem Ausbildungsberuf auf eine Hilfstätigkeit nicht möglich sein.


Fazit

Eine Verweisung muss vertraglich vereinbart sein. Eine solche Vereinbarung ergibt sich aus die Versicherungsbedingungen (AVB). Ist eine Verweisung vereinbart, muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein Verweisberuf besteht oder bereits ausgeübt wird.

Wenn Sie Fragen zu der Berufsunfähigkeitsversicherung haben oder die BU-Versicherung Sie auf eine Vergleichstätigkeit verweist, nehmen Sie also gern Kontakt auf und vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgespräch.


Kontakt


Nehmen Sie gerne Kontakt auf und vereinbaren Sie ein kostenfreies Erstgespräch.

Jonathan zur Nieden

Rechtsanwalt Fachanwalt für Versicherungsrecht Anschrift: Große Theaterstraße 7 20354 Hamburg
Die abgesendeten Daten werden nur zum Zweck der Bearbeitung Ihres Anliegens verarbeitet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.